Meine RS Charas

 Name: Victor Brodowski
Alter: 21
Beruf: Stricher

Wo der schlechte Einfluss damals angefangen hat, das weiß heute keiner mehr. Sowas ist ja eigentlich auch keine Einbahnstraße und wenn zwei Wagen erstmal aufeinander zufahren und keiner von Beiden anhält oder ausweicht, dann gibt es für beide Autos einen Totalschaden. Dann können nur noch Zeugen beteuern, wie es abgelaufen ist. Über Zack haben die Augenzeugen immer gesagt, er solle sich nicht mit Tony abgeben. Über Tony haben sie dann aber das selbe gesagt. Und deshalb sind sie dann zusammen geblieben.
Zach und Tony verbindet ein ähnliches Elternhaus. Nur, dass Zacks Vater sich eben mehr kümmert. Und seine Mutter noch lebt. Deswegen muss Zack immer vor Allen gut dastehen. Dafür geht er sogar über Leichen. Nicht die echten. Nur die Alkoholleichen.
Gelegentlich hat Zach es schon mal in einer Nebenrolle ins Fernsehen geschafft. Er erzählt davon immer, als wäre es ein Hollywood Film gewesen. Dabei war’s nur eine kleine Daily Soap. Dafür hat er aber eine Zeit lang für Hugo Boss gemodelt. Das stimmt sogar. Mit dem eigenen Geld muss er jetzt nicht mehr ganz so gut vor seinen Eltern da stehen wie früher.  Eigentlich will er deren Unternehmen ja auch nicht übernehmen. Zach möchte berühmt werden.  Einfach nur berühmt. Er möchte den Paparazzi den Mittelfinger zeigen und in den nächsten Sexskandal verwickelt sein.
Jetzt muss er also nirgendwo mehr gut dastehen. Schön. Dafür muss er besonders cool dastehen. Da ist der richtige Freundeskreis ja schon das halbe Leben.  

Heather Calaway. Der Name ist zu poetisch für die Wahrheit. Heather hat ihn vor 9 Jahren in einem Telefonbuch gefunden. Erst hat sie sich vorgestellt, was das wohl für Menschen wären, die Calaway heißen. Ob sie genau so poetisch wären wie ihr Name. Ob sich ihre Mimik reimte und jede Bewegung eine Metapher war. In der selben Nacht hat sie sich dann dazu entschlossen, auch so ein Mensch zu sein. Jetzt heißt sie auch Calaway. Ihre Eltern nicht. Deswegen waren sie jetzt auch nicht mehr ihre Eltern.
Heather Calaway. So einen Namen haben echte Menschen nicht. Seit sie mit 16 ihre Sachen gepackt hat und spurlos verschwunden ist, hat sich nichts mehr echt angefühlt. Das liegt an Drogen und falschen Namen. Und am vergessen. Mit 17 ließ man sie in Bars ab 21. Das lag am Make-Up. Sie schlief mit dem hübschen Sänger, der hier jede Nacht mit seiner Gitarre auf der Bühne stand. Das lag an seiner sanften Stimme. Er hatte ein Lied für Heather geschrieben, bevor Heather überhaupt Heather hieß. Sie hat ihm aber gesagt, dass das zufällig auch ihr Name wäre. Das hat ihm gefallen. Und Heather auch.
Heather Calaway. So heißt sie jetzt also. Aber eigentlich ist das ja nur ein Name und Namen sind nicht wichtig, wenn Andere sie nicht kennen. Deswegen ist ihr Geburtsname auch nicht mehr wichtig. Den hat sie irgendwo auf einer Party in einer leeren Heroinspritze gelassen. Da liegt er gut. Da kann er vergessen werden.
Heather vergisst nicht die Namen der Leute, mit denen sie geschlafen hat oder die Lieder, die über sie geschrieben wurden.
Heather kann gut singen, aber niemand möchte sie singen hören. Wenn sie auf Tour geht, muss sie im Wohnwagen oder Hotel bleiben. Da liegt sie gut. Da kann sie vergessen.
Das hat auch nichts mit Prostitution zu tun. Sie will ja nur Zuneigung, ein Dach über dem Kopf und große, schöne Namen, die sie sich neben die Kerben an ihrem Bettpfosten schreiben kann.

Aus Frankreich kommt Renés Familie schon seit Generationen nicht mehr. Nur der Name eben. Eigentlich gehört er ihrer Mutter. Die wiederum hat ihn von ihrem Vater. So wie das eben so läuft mit Namen. Eigentlich hätte Renés Mutter den Namen mit ihrer Hochzeit abgeben müssen. Aber das hat sie nicht gewollt, weil ihre Tochter doch den Namen eines Stars tragen sollte. Das Gesicht eines Stars hatte sie dann auch. Aber es war der Name, der René zu ihrem ersten Fotoshooting verhalf. Ganz sicher. Da kann jeder ihre Mutter fragen. René kann sich ja sowieso nicht mehr dran erinnern. Da war sie ja gerade mal 12 Monate alt gewesen. Aber richtig professionell, hat ihre Mutter gesagt. Mit einem Gesicht wie ihrem und einem Namen wie ihren hätte sie ja gar nichts Anderes werden können. Da hat ihre Mutter dann schon auf das Gewicht ihrer Tochter geachtet. Und später hat René dann selbst drauf geachtet. So aus reiner Gewohnheit.
22 Jahre später geht René längst alleine zu ihren Fotoshootings. Beim Casting muss sie auch nicht mehr Schlange stehen und um ihren Job bangen. Jetzt wird sie meistens von ihrer Agentur angerufen. Und wie oft sie das tun!
René ist auf die Welt gekommen und konnte modeln, bevor sie sprechen oder laufen konnte. Sie wollte nie Model werden. Sie war es einfach. In der Schule hat sie sich eigentlich immer sehr für die Naturwissenschaften interessiert. Gelesen hat sie auch gerne. Das tut sie immer noch manchmal auf den langen Flügen zu ihrem nächsten Job.
Ihre Mutter weiß nichts von der Gesellschaft, mit der sie sich abgibt. Für sie sind das alles nur die Reichen und Schönen. Da gehörte Renés Familie nie dazu, bevor René Model geworden ist. Jetzt gehört eigentlich nur René dazu. Aber ihre Mutter tut gerne so. Manchmal darf sie mit auf den roten Teppich kommen. Dann ist sie ganz besonders stolz. Aber dann achtet sie auch ganz besonders darauf, dass René nicht mehr als ein Mal am Buffet vorbei geht. Deswegen nimmt René immer eine Pille bevor sie ihre Mutter mit auf den roten Teppich nimmt. Dann hat sie nämlich weniger Hunger.